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ARGENTINIEN: Bach im Teatro Colón

Was wir am Palmsonntag im Teatro Colón machen, fragt uns der Taxifahrer – eine Führung? Als er erfährt, dass wir dort hinfahren, um Musik von Johann Sebastian Bach zu hören, ist er begeistert. Da er etwas Deutsch kann, entspinnt sich eine lebendige Unterhaltung. Ja, natürlich kenne er Bach, un Gran Compositor de Alemania. Und dann noch im Colón, dem Stolz der Stadt, das zu den berühmtesten Opernhäusern der Welt gehöre! Hier hätten sie schon alle auf der Bühne gestanden, die großen Stars der Opernwelt wie die Callas oder der Caruso; aber auch Dirigenten wie Toscanini, Bernstein und Barenboim.

Das Teatro Colón – ein Prachtbau

Er hat nicht zu viel versprochen. Das nach Christoph Columbus benannte Opernhaus von Buenos Aires, 1908 eröffnet, ist ein klassisch-schöner Musiktempel im Stil der Mailänder Scala, so prächtig und glanzvoll, dass wir aus dem Staunen kaum noch herauskommen.

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Und es ist groß, sehr groß sogar: Alles in allem bietet es dreieinhalbtausend Besuchern Platz, verteilt auf Parkett und sechs (!) Ränge. Trotz dieser Größe ist es auch berühmt wegen seiner wunderbaren Akustik. Dass das stimmt, konnten wir im Konzert selbst erfahren.

Dabei wollten wir vor ein paar Tagen auf einem ersten Stadtrundgang nur mal kurz das Colón anschauen, weil es zu den Top-Attraktionen der Stadt gehört. Doch dann entdeckte Elke, dass dort die Academia Bach de Buenos Aires zusammen mit dem Coro Orfeon das Oratorio de Pasqua, also das Oster-Oratorium, aufführen werde. Wir bekamen zwar nur noch (kostenlose) Stehplatzkarten, aber das entpuppte sich als Glücksfall, denn uns wurden dann doch Sitzplätze im dritten Rang ganz vorne zugewiesen. Offenkundig hatten wir Studentenfreikarten ergattert…

Ein Dirigent, der das Publikum mitnimmt

Das Konzert: schlicht und ergreifend wunderbar! Es begann mit einer ausführlichen Einführung durch den Dirigenten Manuel Videla, der das Oratorium und seinen Aufbau lebendig und anhand von kurzen Musikbeispielen erläuterte. Das Publikum, darunter sehr viele junge Leute, ging da schon sehr aufmerksam mit. (Leider verstanden wir nicht sehr viel davon, also höchste Zeit für unsere Spanischkurs, der morgen beginnt). Ich habe aber selten einen Dirigenten erlebt, der so aktiv mit seinem Publikum kommuniziert, ja förmlich mit ihm arbeitet. Das gipfelte schließlich darin, dass er nach der Aufführung mit dem Saalpublikum ein paar Textzeilen einübte, so dass am Ende das gesamte Haus eine Passage aus dem Oratorium mitsang. Dass dies mit einem Opern-Publikum möglich ist, hat uns gezeigt: Wir sind in Südamerika angekommen!

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Bachs Musik – ein sehr persönliches Erlebnis

Bleibt noch die Frage, warum mich Bachs Musik stets aufs Neue so tief berührt. Warum geht diese Musik, vor knapp 300 Jahren in einer tiefreligiösen und höfischen Welt komponiert, mir so nahe, dass ich schon bei den ersten Tönen ergriffen bin? Ich, der ich ansonsten keinerlei Talent für Religiosität habe? Gut, da wird musikalisch eine Geschichte erzählt, die von Leid und Hoffnung geprägt ist, also als überzeitlich verstanden werden kann. Auch weiß ich, dass genau dies große Kunst ausmacht. Aber diese unglaublich intensive musikalische Umsetzung einer uralten religiösen Erzählung, die mich alten Vernunftler und Zweifler, geprägt durch die Ideenwelt der Aufklärung und die Denkweise der Wissenschaft, erfasst, als sei sie gerade erst entstanden, ja, aktuell und geradezu persönlich an mich gerichtet. Warum das so ist? Ich weiß es nicht, habe bis heute keine schlüssige Antwort darauf. Ist halt mein Himmel auf Erden…

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Wolfgang Eckart reiste 19 Monate mit seiner Frau um die Welt. Inzwischen lebt er wieder in Süddeutschland und ist nach wie vor gerne als aufmerksamer Entdecker unterwegs.

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